Den Geburtstag von unserem großen deutschen Tondichter Franz Liszt feiern wir heute und tun dies natürlich mit dessen Werken. Derer gibt es 700 Stück und der Schwerpunkt des Schaffens von unserem Franz Liszt liegt auf dem Klavier. Zur Welt kam er 1811 in Raiding und sein tondichterisches Wanderleben führte ihn nach Wien, Paris, Berlin, Weimar und Rom. In die ungarische Rhapsodien hören wir etwas rein: https://www.youtube.com/watch?v=RJXZp1vH2CM Unsere Musikgelehrte Lina Ramann hat uns in ihrem Buch „Franz Liszt als Künstler und Mensch“ das Wirken unseres Tondichters niedergeschrieben und darin geht es dazu ein Stückchen weiter: http://www.zeno.org/Musik/M/Ramann,+Lina/Franz+Liszt
„Die äußere formelle Anordnung derselben mit ihren vier Sätzen entspricht der traditionellen Symphonieform der Mozart-Beethoven-Zeit, wobei sie mit ihrem Schlußchor an Beethovens „Neunte“ zu appellieren scheint. Allein bei näherer Beschauung ergibt sich durch ihre Idee und ihren inneren Ausbau, daß die Satzeinteilung trotz der Gleichheit keine prinzipielle zu Gunsten der Form oder aus Gründen historischer Rücksicht, sondern aus dem poetischen Stoff, aus innerster Notwendigkeit hervorgegangen ist. Keiner der Sätze steht in seiner inneren Struktur auf historisch-formellem Boden. Die Bearbeitung und Durchführung der Themen, desgleichen die Reprisen der Satzteile, vollziehen sich streng logisch, doch als poetische Evolutionen nach den Gesetzen psychologischer Wahrheit. Nach dieser Seite hin war Liszt realistisch. Ebenso trägt der dritte Satz (Mephisto), welchen die Kritik häufig als Scherzo demonstriert, nichts von den historischen und formellen Voraussetzungen der Scherzoform der Symphonie in sich, wie sich aus einem Vergleich mit den gesamten Scherzi der Symphonien, Quartette und Sonaten Beethovens einerseits und anderseits aus Richard Wagners Definition der geschichtlichen Aufgabe dieser aus dem Tanz hervor geblühten Form ergibt. Und endlich: was die Gleichheit mit der Chorsymphonie Beethovens betrifft, so ist auch sie eine nur ganz allgemeine, äußerliche und besteht darin, daß Liszt nach Beethovens Vorgang sein Werk ebenfalls mit einem Chore abschließt. Die innere Bestimmung der beiden Chöre in Bezug auf das ganze Werk, weicht durch vollständig verschiedene Ausgangs- und Zielpunkte von einander ab. Beethovens Chor ist kein Abschluß der vorhergegangenen symphonischen Sätze, mit denen er in keinem Zusammenhang, sondern nur im Anschluß steht. Er war ein Notschrei des Musikgenius, der über die Grenzen der Lyrik hinaus, dem Drama entgegenruft, wie die kunstphilosophische Deutung, ebenfalls Richard Wagners, es dargelegt hat. Liszts Schlußchor der »Faust«-Symphonie hingegen hat musikalisch – thematisch in den ihm vorausgegangenen symphonischen Sätzen, speziell im Gretchen-Satz, seine organischen Voraussetzuugen, und schließt nach Seite der poetischen Idee als Schlußgedanke die Symphonie ab. Ohne diesen Chor wäre Liszts Symphonie eine Zusammenstellung von musikalischen Faust-Bildern gewesen, ähnlich wie wir solche auf nicht-musikalischem Gebiet von Kaulbach, Kreling und Andere besitzen, aber keine Wiedergabe des lyrischen Gehaltes der Idee der Goethe’schen „Faust“-Dichtung. Gerade diesen Punkt empfand der Meister sehr scharf. Als er das Werk im Dezember 1854 beendet hatte, umfaßte es nur die drei Instrumentalsätze. Nach einer Revision im Frühjahr 1857 komponierte er erst den Schlußchor. Die „Faust“-Symphonie ist, wie jedes Meistergebilde eines Meisters, eine Urschöpfung, die nur mit sich vergleichbar ist. Das gilt bezüglich ihrer als einer Idee, welche eine neue Gattung in der Symphonieordnung zum Leben ruft: die Gattung, welche das Drama in die Tonlyrik hineinsetzt, oder auch, diese zum Drama befähigt, – das gilt bezüglich ihrer als einer Form, deren stoffliche Durchdringung mittels der inneren thematischen Ausgestaltung – die Eingebung des Genius – jene Idee verwirklicht. Der erste Satz stellt Faust dar. Fünf Hauptthemen, von denen jedes Träger einer Charaktereigenschaft, eines bestimmten Gefühlszustandes, oder einer sich in den Willen ergießenden Gefühlsstrebung ist (wie bei „Prometheus“), bringen, als Grundzüge des Gesamtwesens Fausts, dieses zum Ausdruck. Die Einleitung, eine Dissonanzkette, ist von unbeschreiblicher Kühnheit der Erfindung und von schärfster Prägnanz: Die übermäßige Dreiklangsfolge (Ia) – das erste derartige. Beispiel in allen Tonwerken der Zeiten – stellt uns gleich mit ihren ersten drei Tönen wie mit einem Schlag hinein in das zweispaltige Wesen Fausts. Sie ist der tragische Wurf seines Geschickes – so tief, so wahrhaftig aus dem Innersten der Faustnatur herausgetragen, wie nur die glücklichsten Eingebungen des Genius es vermögen. Das Gewicht fällt hier auf die Dissonanz. Sie ist die Urquelle der Tragik. So wie Byron in seinem »Kain« diesen als Vater des Gedankens zeichnet, so beweist sich die Dissonanz als Mutter der Tragödie. Die Dissonanz, auf welcher Faust sich bewegt, hätte nicht durch jede und nicht durch jeden dissonierenden Akkord zum Ausdruck kommen können. Wie Goethes „Faust“-Tragödie ihre Voraussetzung in dem „Prolog im Himmel“, so hat auch diese Dissonanz ihre Voraussetzung in dem edeln, den höchsten Zielen zustrebenden, noch bruchlosen Wesen Fausts, das bei allen Wandlungen nicht allein sichtbar bleibt, sondern auch der Ausgangspunkt zur Zweispaltigkeit seines Wesens wird. Musikalisch – das hat Liszts Faust-Thema wie die Lösung eines vordem kaum geahnten Problems zur Evidenz erschlossen – kann eine solche Voraussetzung nur in dem konsonierenden Dreiklang liegen, dessen reines Intervall, die Quinte, zum übermäßigen getrieben, den Urgrund sichtbar läßt und doch als übermäßiger Dreiklang das tragische Element einschließt…“