Für Freunde der klassizistischen Malerei ist heute ein Freudentag. Denn unsere Angelika Kauffmann hat heute Geburtstag. Deren Werke kann man geradezu die Verkörperung des Klassizismus nennen. Womit natürlich die Anlehnung an die Kunst der alten Griechen und Römer gemeint ist. Geboren wurde unsere Angelika Kauffmann 1741 in Chur. Bei ihrem Vater erlernte sie die Malerei und ihre Reisen führten sie nach England und Italien. In der ewigen Stadt Rom fand sie schließlich ihre Heimstatt. Dort besuchte sie auch unser Dichterfürst Goethe und manches andere hohe Tier. Nachzulesen gibt es das Leben und Schaffen unserer Künstlerin bei Eduard Engels in „Angelika Kauffmann“: https://archive.org/details/bub_gb_DI05AAAAMAAJ
„Und nun stelle man sich das arme verflogene, verzärtelte Rokoko-Vögelchen Angelika vor, wie es bei seiner Ankunft in Rom in den Bereich dieses nordischen Stoßvogels und seines Foliantenturmes eindrang! Anfangs wollte es nach seiner bisherigen Art fortfahren, an den delikaten Südfrüchten der italienischen Hochrenaissance herumzupicken und sich jetzt besonders an Raphael und Michelangelo gütlich tun. Kaum aber hatte es mit dieser zierlichen Arbeit begonnen, so drang der Ruf des neuen Propheten an sein Ohr und wiederholte sich so oft und so eindringlich, daß der Hüter des Vögelchens, der alte, geschäftige Impresario Kauffmann, notwendig auf Kundschaft ausziehen mußte. Arme Angelika! Es stellte sich heraus, daß sie wieder einmal auf dem unrechten Wege herumgeirrt war. Die Kunst des Vaters, die alten Italiener, das Rokokopastell, abermals die Italiener, das waren eigentlich schon Etappen genug für eine kaum zweiundzwanzigjährige Malerin, und jetzt sollte auch noch eine ganz neue, bisher nicht einmal der Möglichkeit nach geahnte, die antike, beginnen! Wenn das so weiter ging, war der letzte Rest von persönlicher Eigenart verwischt, bevor er unter den wechselnden Maskeraden auch nur zum Vorschein zu kommen Gelegenheit gehabt hatte! Aber Angelika fühlte guten Mut in sich. Naturen ohne starkes Eigengesetz pflegen in einer ungewöhnlichen Opferwilligkeit Ersatz für das zu suchen, was anderen eine starke Begehrlichkeit leistet. Der zartbesaiteten Angelika bereitete es eine ordentliche Wollust, sich der hohen, der heiligen Göttin, der sie diente, so recht von Herzen aufzuopfern. Je schwerer das Opfer, war, um so heller loderte ihre Begeisterung empor. Was aber hätte dem zierlichen, empfindsamen Mädchen schwieriger werden können, als das Eindringen in den hohen und kühlen Geist der Antike? Für sie waren „Einfalt und stille Größe“ keineswegs etwas so Natürliches, wie für den mannhaften, lapidaren Nordländer Winckelmann. Ihrem Wesen sagte das Geputzte und Geschnörkelte, das Gefühlvolle und Neckische weit besser als das Erhabene und Einfache zu. Ihre empfindsamen Nerven erbebten, sobald sie dem steinernen Gast, der nach zweitausendjährigem Schlummer aus dem Grabe stieg, ihr Rokoko-Knixlein zu machen versuchte. In einem Punkte freilich war Angelika die Winckelmannsche Kunstweise sehr willkommen: in ihrer Abkehr von dem unmittelbaren Leben der Zeit. Niemals hatte sie ein Bedürfnis gefühlt, die Natur zu studieren, immer hatte sie mit der Wirklichkeit durch die Vermittlung von Kunsterzeugnissen verkehrt. Ihr vorzugsweise nach innen gekehrtes Sinnen und Trachten fürchtete sich vor der Berührung mit den realen Dingen der Außenwelt, und ihre Phantasie entfaltete sich um so freier, je näher die Gegenstände, mit denen sie spielte, der Traumwelt lagen. Die Antike aber war die fernste Provinz der Traumwelt, in die ein lebensscheuer Geist damals flüchten konnte. Je weniger man von ihrer wahren Beschaffenheit noch wußte, um so anmutiger konnte man sich in ihr ergehen. Selbst Winckelmann kannte noch kaum eine einzige echte Arbeit des von ihm so vergötterten Griechenlands. Wie eine Mücke um das Licht kreiste Angelika um die Sphären des nordischen Wundermanns. Endlich lernte sie ihn von Angesicht zu Angesicht kennen. Er behandelte sie sehr von oben herab, aber ihr Mädchenherz pochte vor Bewunderung. Was war das für ein Mann! War er eigentlich nicht der erste, der ihr gegenüber getreten? Hatten nicht alle anderen sie mit faden Schmeicheleien umgeben? Hatte sie von einem einzigen wirkliche Förderung in ihrem ratlosen Suchen erfahren? Wahrhaftig, hier konnte sie zum erstenmal etwas von einem lebendigen Menschen, nicht von geheimnisvoll schweigsamen Kunstwerken Verstorbener lernen! Was alles dieser Gewaltige wußte! Wie prachtvoll er alles Schaffen der zeitgenössischen Künstler verachtete! Wie er glühte in seinem heiligen Feuer! – Der Glaube, den er predigte, mußte ja der richtige sein, denn so wie er konnte nur ein wirklich gottbegnadeter Seher orakeln. Angelika schwur sich hoch und teuerlich zu Winckelmanns Jüngerschaft. Sie war so berauscht von dem neuen Kunstevangelium, daß sie weder damals noch später merkte, wie wenig sie im Grunde ihr Rokoko – Lärvchen abzulegen vermochte. Auch Winckelmann selbst merkte das nicht – er hatte es ja auch bei dem „großen“ Mengs nicht bemerkt. Zum Zeichen seiner Huld gestattete er der jungen Proselytin, sein Bildnis zu malen…“
Musikalisch paßt wohl Georg Friedrich Händels Meisterwerk „Herakles“ ganz gut zu den Bildern unserer Angelika Kauffmann… https://www.youtube.com/watch?v=5Sue5J51OgQ