Heute hat der alte Tondichter Joseph Haydn Geburtstag (1732 in Rohrau), dem wir Deutschen 750 meisterhafte Tondichtungen verdanken. Als eingefleischte Jägerin suche ich mir dessen einunddreißigste Symphonie, genannt Hornsignal, aus: https://www.youtube.com/watch?v=H30PPIqVsSU Von der Zeit unseres Haydn in Wien als Sängerknabe lesen wir nun bei unserem Musikgelehrten Carl Ferdinand Pohl: http://www.zeno.org/Musik/M/Pohl,+Carl+Ferdinand/Joseph+Haydn
„Dies war der Schauplatz, auf dem Haydn nunmehr zum Jüngling heranreifen sollte. Sehen wir nun, wie es im Kapellhause aussah, welcher Art der Mann war, der hier regierte, wie die Schule gehalten wurde, wie die Kirchenmusik im Dome selbst bestellt war und welche Erfolge unser Sängerknabe in seinem nunmehrigen Aufenthalte erzielte. Es gereicht den Altvätern Wiens zum besonderen Lobe, daß sie schon frühzeitig darauf Bedacht nahmen, der Musik eine Pflanzstätte zu errichten, und wenn dieselbe auch zunächst fast ausschließlich nur im Interesse der Kirche ihre Aufgabe suchte, war ihr doch auch damit eine einflußreiche Verbreitung geboten. Obwohl den berühmt gewordenen ähnlichen Anstalten, der Thomasschule in Leipzig, der Kreuzschule in Dresden nachstehend, haben auch in Wien Tausende ihre musikalische Ausbildung der Kantorei bei Sankt Stephan zu danken. Ausgerüstet mit dem nötigen Wissen, wußten sie sich dann beim Eintritt ins bürgerliche Leben eine Existenz zu gründen und brachten Sinn und Liebe für die Tonkunst ins eigene Haus und in weitere Kreise. Die Kantorei, in Jordans „Schatz, Schutz und Schantz des Erzherzogtum Österreich“ (Wien 1701) als „Civitatis Kantorei oder Herren-Cappel-Meisters-Wohnung“ bezeichnet, wird urkundlich, vermöge Steueranschlags von allen bürgerlichen Lasten befreit, schon im Jahre 1441 genannt. Das alte früher bestandene Gebäude besingt noch Wolfgang Schmeltzl, indem er die Stephanskirche „das g’wältig Tempelhaus« beschreibt: Nichts mangelt was solch Ding betrifft. Dreihundert pfründ seind darein gstifft, Bistum, Thumbherrn vnd Probstey. Auch helt man aygne Cantorei, Dartzu zwo Orgel gross vnd klein.“ Im Jahre 1663 wurde dies Gebäude neu aufgeführt. Das Äußere desselben, wie es bis zum Jahre 1803 bestand, ist u.a. auf den Stadtansichten von Huber und von Huefnagel, die Grundfläche auf den Plänen von Suttinger und von Steinhauser ersichtlich. Es war, wie wir gesehen haben, in seiner Breite an das der Straße zugekehrte Zinshaus, gegenüber der Goldschmiedgasse, angebaut. Die Hauptfront gegen den Friedhof und den ausgebauten Turm hatte drei Stockwerk mit je sechs Fenstern und einigen Dachwohnungen. Die schmale nach Norden gekehrte Seite, die das vordere Zinshaus in der Länge etwas überragte, hatte ebenfalls drei Stockwerk, aber nur zwei Fenster Breite. Bei der ersten Nummerierung im Jahre 1775 erhielt die Kantorei oder (wie sie dann vorzugsweise hieß) Kapellmeisters-Wohnung die Nummer 858. Über die Schulordnung geben die vorhandenen amtlichen Verordnungen früherer Jahre (1558, 1571) genügenden Aufschluß und wenn dieselben auch im Laufe der Zeit manche Veränderung mögen erfahren haben, läßt sich doch aus dem Vorhandenen wenigstens ein annäherndes Bild geben, wie es auch zu Haydns Zeit in dem alten Hause mag gehalten worden sein. Von Alters her lehrten hier der Kantor (später Kapellmeister), ein Subkantor und zwei Präzeptoren in Musik und den notwendigsten Schulgegenständen (in literis et musicis). Lehrer und Sängerknaben wohnten in der Kantorei und speisten auch beim Kantor, dem in früherer Zeit nebst seinem Gehalt noch eigens die Benutzung eines Weingartens zu Gebot stand, „damit er den Knaben und Präzeptoren über Tisch einen guten Trunk gäbe“. Alle Unkosten zahlte die Stadt und hatte beispielsweise der Kantor im Jahre 1571 eine monatliche Besoldung von 10 Florin, 14 Florin für Brennholz und zu Weihnachten ein Jahr übers andere ein schwarzes Ehrenkleid. In frühester Zeit hatten die Lehrer auch in der nahegelegenen Bürgerschule die Schüler für die Kirchenmusik vorzubereiten. Wenn der Kantor oder einer der Unterlehrer zu musikalischen Aufführungen bei Hochzeiten, Ladschafften, Mahlzeiten und Kondukten erbeten wurde, erwartete man von seinem Pflichtgefühl, daß er Niemanden mit der Belohnung übernehmen und beschweren werde und auch dafür sorge, zu rechter Zeit (und die gewöhnliche Pyerglokhenzeit) heimzukehren, damit die Kantorei zur Nachtzeit könne gesperrt gehalten werden. Im Jahre 1663 erscheint zum erstenmale ein „Kapellmeister“. Georg von Reutter, der diesen Posten zu Haydns Zeit bekleidete, bezog als Gehalt jährlich 300 Florin, 24 Florin Hofkleidgeld, 16 Klafter weiches Deputatholz = 48 Florin, 25 Florin Kellerzins. Die Erhaltung der Sängerknaben wurde ihm besonders vergütet. Zahlreiche Emolumente und Nebenakzidentien vermehrten überdies seine Einnahme bedeutend. Näheres über ihn werden wir weiterhin erfahren. Im Jahre 1571 zählte die Kantorei dreizehn „Singerknaben“; später verminderte sich die Zahl und hielt sich, vom Jahre 1715 angefangen, Jahrzehnte lang auf gleicher Höhe mit sechs Knaben. In der Verpflegung waren dieselben sehr gut gehalten; die Wahl der Speisen, an Fleisch- und Fasttagen, war in reichlicher Menge vorgeschrieben. Auch ein Trunk fehlte nicht: auf 10 Knaben anderthalb Seidl Wein, doch solcher, daß die Knaben „nit darum khrankh werden“. Im Jahre 1558 bezog der Kantor für jeden Knaben monatlich vier Florin 50 rheinische Kreuzer und hatte ihn dafür, die Kleidung abgerechnet, gänzlich zu verpflegen. In der Zeit, die uns zunächst beschäftigt, war das Kost- und Pflegegeld bedeutend gestiegen, im Gegensatz aber wurden die Knaben sehr knapp gehalten. Für Kost, Verpflegung und Instruktion der sechs Knaben wurden, nebst zweimaliger Kleidung im Jahr, Arzt und Medikamente, Barbier und alle übrige Notdurft jährlich 1200 Florin bezahlt; außerdem noch 75 Florin Instruktionsgebühr und 60 Florin Zimmerbeihilfe. Auch Reutter erhielt nicht mehr. Und wenn er auch jährlich die Rubrik „Extra-Auslagen“ in erfinderischer Weise auszubeuten verstand, ist doch die, nach Dies bisher gebräuchliche Annahme, Reutter habe für jeden Knaben 700 Florin erhalten, in der eigentlichen Hauptsumme auf 200 Florin zu reduzieren. Für das Singen bei Mahlzeiten erhielten die Knaben nach Belieben der Parteien Speise und Trank und wurde ihnen nebstdem noch der gebräuchliche Lohn gleich einem Gesellen (Kapellsänger) verabfolgt. Dieses Geld wurde in einer verschlossenen Büchse aufbewahrt und monatlich davon das Badgeld und kleine Bedürfnisse bestritten und der Rest unter sie gemeinschaftlich verteilt…“