Zu Frankfurt am Main wurde im Jahre 1752 unser Friedrich Maximilian Klinger geboren, der sich als Dichter und Denker so einigen Ruhm erworben hat. Ja, er gab sogar der Schaffenszeit des Sturm und Drang mit seinem gleichnamigen Trauerspiel den Namen. Er war armer Leute Kind, doch konnte aufgrund von Wohltätern dennoch die höhere Schule in seiner Vaterstadt besuchen und in Gießen die Rechtswissenschaften studieren. Doch war der Ruf des Dichtergottes Bragi stärker und so versuchte sich unser Dichter einige Jahre als Schauspieler und fahrender Sänger. Leider ohne hinreichenden Erfolg und so wurde er Soldat. Da aber Friedrich der Große und Maria Theresia ihren vierten Waffengang mit der Feder ausmachten, mußte unser Friedrich Maximilian Klinger 1779 in den Dienst des russischen Zaren treten. Eine typische Eulenspiegelarbeit… Mit Freyjas Hilfe heiratete unser Barde 1788 Elisabeth Alexejewa, mit der er drei Söhne hatte. Sein Werk besteht aus Trauerspielen wie „Otto“, „Medea in Korinth“, „Konradin“, „Aristodymos“, „Die Zwillinge“, „Damokles“, „Das leidende Weib“, „Simsone Grisaldo“, „Sturm und Drang“ oder „Medea auf dem Kaukasus“, Lustspielen wie„Die falschen Spieler“ oder „Prinz Seidenwurm“, dem Gespräch „Der Weltmann und der Dichter“ und Erzählungen wie „Geschichte eines Deutschen der neusten Zeit“, „Fausts Leben, Taten und Höllenfahrt“, „Orpheus“, „Geschichte Raphaels de Aquillas“ oder „Die Geschichte vom goldnen Hahn“ und natürlich den „Betrachtungen und Gedanken“ – fehlen sollten diese in eurer heimischen Panzerbücherei nicht. Wir Panzertiere lesen zu Ehren von unserem Friedrich Maximilian Klinger heute aus dessen Werken vor. Dazu gibt es bunte Bilder, altdeutsche Lieder und Tondichtungen und natürlich unser Panzergetränk Met… Die vierte Symphonie von unserem großen deutschen Tondichter Brahms habe ich mir für unsere heutige Panzergeburtstagsfeier ausgesucht: https://www.youtube.com/watch?v=9I-Ovumi9mA Vorstellen tue ich euch das Trauerspiel „Damokles“ – zu Zeiten der klassischen Bildung hätte der Name wohl den meisten zumindest etwas gesagt. Doch das ist leider lange her… https://archive.org/details/smtlichewerke02klinuoft
„Damokles. Die Freude, meine Tochter, über meine Rückkunft, drückt sich bei dir in bloßem Staunen aus. Nur gestern fühlt‘ ich einen Augenblick deinen heißen Willkomm; heute haftet ernst und ernster als es die glatte Stirne der Jugend schmückt, dein Blick in meinen Augen. Hier, Ino, suche den Vater! Hier wohnen Sorgen, die dieses nur ertragen lehrt.
Ino. O längst erflehte Rückkunft! Dir folgte über das Meer mein Herz, und mein Geist schwebte in deinen Segeln, trieb sie vorwärts, um dich schnell zurückzubringen. Noch hattest du des Feindes Küste nicht erreicht, als ich schon des Windes Flug belauschte. Wie schlug mein Herz, wenn ich meinen Schleier rückwärts flattern fühlte! Es war der Wind, der, mit meiner kindlichen Liebe einverstanden, deine Flotte nach unserm Hafen blies. Nun bist du da, gesund, siegreich und…
Damokles. Wie, meine Tochter, noch ernster werden deine Blicke?
Ino. Ja, mein Vater, auf deiner Stirne wurzelt ernst mein Aug‘, gleich dem Blicke des Steuermanns am Gewölbe des Himmels, wenn er vom Sturm verschlagen dort angstvoll ein Zeichen sucht, den Weg durchs dunkle Meer zu finden. Mit eben solchen Blicken sahen gestern die Rhoder auf dich, da du von dem Hafen kamst. Über die Lage, in die der listige König sie gesetzt hat, vergaßen sie deinen großen Sieg und schienen tief zu fühlen: ein Sieg, der nur dem König nützt, nur seine Eigenmacht verstärkt, sei für das Volk gefährlich. Ihr düstres Zujauchzen sagte dir laut, nicht in Karien, in Rhodos selbst sei Rhodos Feind und ihre Freude galt nur der Hoffnung.
Damokles. Welcher Hoffnung?
Ino. Du würdest ihnen die in deiner Abwesenheit verlorne Freiheit wiedergeben und ihr Herz der reinern Freude fähig machen. Sieh, alles dieses klang so trübe durch das Jauchzen, womit sie dich empfingen! So schwer das Joch der Tyrannei auf ihrem Nacken liegen mag, so fühlen sie doch noch, daß ehmals Siege nur für sie erfochten wurden, daß nur Teilnahme an dem Allgemeinen der Bürger Herz in einen Punkt der Freude und des Kummers sammle. Nur dann zerfällt der Menschheit stark Gefühl, wenns der Tyrannei gelungen ist, der Bürger Blicke vom Staat ab in sich selbst zu kehren. Noch schwankt der Rhoder zwischen Sein und Nichtsein; denn sag‘ mir, mein edler Vater, sind wir, wenn wir eines andern Sklaven sind, nicht den Gesehen, sondern einem Menschen unterworfen?
Damokles. Ino, fülltest du meine Abwesenheit mit solchen Gedanken aus? Denken unsre Töchter wie Männer, während diese ihren besten Wert verkaufen? Sehr krank muß Rhodus sein, wenn unerfahrne Jungfrauen sein Weh erraten, und es zum Gegenstand ihrer Unterhaltung machen!
Ino. Daß Rhodos krank sei und woran, dieß weiß mein Vater! daß ich es mit Unmut fühle, dank ich den Empfindungen, die du in mir erweckt hast. Wenn ich dir an langen Abenden den göttlichen Plato las, und du bei seinen erhabenen Gedanken glühtest, oft in strömender Beredsamkeit des Herzens überfloßest, empfand ich wohl, unser Lesen sei etwas mehr, als leere Stunden auszufüllen. Glüht‘ ich nicht mit dir, wenn du mir merkbar machtest, wie unter tausend dunklen Gedanken nur immer einer hell in diesem Weisen glänze: Gesetz, Gerechtigkeit und der Rechte Gleichheit. Ich fühle schmerzlich, daß ich nur ein Weib bin, nur geboren zu weinen, zu bewundern, und beides, mein Vater, beweist doch nur dem Menschen, wie schwach er ist!
Damokles. Hadere nicht, mein Kind, schön ist dein Los, bloß tief und fein zu fühlen, ohne dein Herz mit Taten zu beladen, womit der Mann so selten sich und andern nützt. Ja, wenn Gutes tun und wollen, auch immer Gutes wirkt‘ und bliebe! So aber verschieben sich die Zwecke des Gerechtesten, und ihre Reinheit lies’st du nur in dem Spiegel deiner Seele. Was du hier warm und groß entworfen hast, wird in dem finstern Gange durch des Menschen Kopf und Herz nur zu oft zum scheußlichen Ge= spenste, das dich bei seiner endlichen Erscheinung in Zweifel über deine Taten feßt, und bist du innig mit dir einverstanden, wenigstens in den Zweifel: ob’s nicht besser sei, die Menschen dem Taumel zu überlassen, der sie so verwirrend treibt.
Ino. Dies ist nicht Damokles Fall! auch noch da sucht und entdeckt er den Menschen, wo er sich, mißgeleitet, außer den Grenzen seines wahren Glücks verirrt.
Damokles. Sieh‘, wie du mein Herz, mit äußrem Kummer täuschest, um mir den nähern zu entfernen. Wo ist deine Mutter? drückt der Gram noch immer ihren edlen Geist darnieder? Erwacht sie niemals aus ihrer düstren Starrheit?
Ino. O! sie lebt nur in ihrem Verlust und Schmerz! Vertrocknet ist die Quelle der Freude in ihrem Herzen. Bei jedem Geräusche fährt sie zusammen und sieht die wilden Aufrührer, wie an jenem Schreckenstag, in ihre Kammer stürmen. O sie vergaßen, verblendet vom Verrat, daß mein Vater auch der Bürger Vater sei! Dann lebt die Mutter wiederum ganz in ihrem Herzen auf, und in einer Einfalt, die Tränen aus dem Herzen preßt, drückt sie in Täuschung den verlornen Säugling in die Arme, umfaßt die leere Luft und steht erstarrt! Zur Wirklichkeit wird ihrem Geist die Täuschung, und den von Ohnmacht gelösten Armen entstürzt der Säugling. Dann rafft sie in trauriger Verwirrung den toten Knaben auf, besorgt seine Leiche und fordert ihre Weiber auf, das Klagelied zu singen. Ihr Verstand, mein Vater, ist nicht mehr Meister ihres Herzens, und nur zu Zeiten lodern, gleich den Blitzen in einer dunklen Nacht, hellere Gefühle in ihr auf. Dann drücken sich ihre gespannten Geister in düstrer Ahnung aus und ihre Leiden machen sie zur Verkündigerin von nahem, neuem Weh. Bei deiner Ankunft überfiel sie Zittern und deine Tochter erbebte vor den trüben Bildern, die ihr weissagender Geist erschuf.
Damokles. Kein Balsam der Natur heilt die Wunde, die ihr Mutterherz erlitten hat; nur der Tod mag ihr die verlorne Ruhe wiedergeben. Peinvolle Aussicht, daß nur in ihrem gänzlichen Verlust für uns ihr Glück beginnt! Meine Tochter, das was ihr zerstörter Geist in schwarzer Ahnung weissagt, seh‘ ich helle: ein Sturm schwebt über Rhodos, der uns zerbrechen oder heilen muß! Doch ich fürchte, ihn zu bestehen, haben wir die Kraft verloren! Ich hatte einen Sohn den Säugling hab‘ ich dem frühen Tod gezeugt, und diesen, den ich als freien Mann verließ, selbst gewählter Knechtschaft. Mein Sohn! mein Kallias, Führer der Leibwache des Tyrannen! und ich sein Vater, erwähltes Haupt der Rechte und Gesetze dieses Volks! Ha, mein Haus ist kränker noch als Rhodos. Da, wo die Söhne von den Vätern abfallen, die Zwietracht in den Familien wütet, eigennützige Absichten die Bürger trennen, entflieht die Freiheit, und auf die Zerstörung der besten Gefühle der Menschen baut der Tyrann den Thron der Eigenmacht. Aber noch fühl ich, was mir das Volk vertraut hat, und wenn wir das getan haben, wozu die Götter uns berufen haben, so falle das Los, wie sie es bestimmen. Edle Taten des Bürgers gleichen der Morgenröte, deren goldner Wagen vor der Sonne herrollt. So gehen seine Taten vor der Unsterblichkeit her, wenn er für Gesetz und Freiheit stirbt…“